Blockchain in der Energiewirtschaft
Mit Hochspannung erwartete Technologieszenarien
Blockchain hat als Konzept im Zuge der Bitcoin-Euphorie bereits mediale Berühmtheit erlangt – doch sie kann und leistet weit mehr als nur die Unterstützung von Kryptowährungen. Tatsächlich ist sie ein leistungsstarker, dezentraler Ansatz, um Daten sicher und direkt zwischen verschiedenen Beteiligten auszutauschen, zu verschlüsseln und manipulationssicher zu speichern. Auf diese Weise ergeben sich eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten – in der Energiewirtschaft beispielsweise für einen direkteren Austausch zwischen dezentralen Energieerzeugern und -verbrauchern.
Diese und weitere Vorteile wollen sich Entscheider in der Energie- und Versorgungsbranche künftig sichern: Wie eine aktuelle Studie der Deutschen Energie-Agentur („Blockchain in der integrierten Energiewende“, veröffentlicht am 26. Februar 2019) belegt, evaluieren und testen derzeit knapp 30 Prozent von rund 300 befragten Energieunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz den Einsatz von Blockchain-Technologie. Namhafte Partner aus der Branche waren an der Erstellung der Studie beteiligt, darunter der Microsoft-Kunde Mainova sowie Alliander, BKW, cronos Unternehmensberatung, DKB, EnBW Energie Baden-Württemberg, EWE NETZ, General Electric, items, ista International, Netz Lübeck, Pfalzwerke, Rheinische NETZGesellschaft, Siemens, Stadtwerke Leipzig und VERBUND.
Blockchain: Hintergrund und Vorteile auf einen Blick
Blockchain-Technologien laufen auf verteilten, manipulationssicheren und geschützten Buchführungssystemen, auf die mehrere Beteiligte sicher zugreifen können. Hierbei handelt es sich um ein gemeinsam genutztes Transaktionsregister – einen so genannten Ledger –, das nicht zentral bei einem Anbieter gespeichert ist, sondern sich auf ein Netzwerk mit vielen Computern verteilt.
Energieunternehmen und ihre Kunden können künftig umfassend von den damit einhergehenden strukturellen Veränderungen profitieren – und zwar in wirtschaftlicher, technologischer wie auch regulatorischer Perspektive: Der Entfall von Mittlerpositionen und die Beschleunigung von Transaktionsflüssen sind nur die ersten Punkte auf der langen Liste der zu erwartenden Vorteile. Nicht zuletzt sind auch die geschätzten Kosteneinsparungen ein klares Argument dafür, warum die Branche den Wandel ehestmöglich aufgreifen sollte.
Anwendungsbeispiel: Anbieterwechsel im Energiemarkt
Mehrere Unternehmen haben sich zum Ziel gesetzt, die aufwendigen Prozesse beim Stromanbieterwechsel für Kunden mithilfe der Blockchain signifikant zu vereinfachen und zu beschleunigen. Schließlich muss derzeit noch jeder der rund 1.300 Energieversorger und 900 Netzbetreiber eine eigene teure IT-Infrastruktur vorhalten, damit Kunden den Anbieter wechseln können. Hier liegen nicht nur erhebliche Einsparpotenziale, sondern auch das bisherige EDIFACT-Verfahren soll sinnvoll ergänzt werden.
Seit 2016 arbeitet ein Konsortium an der Umsetzung, bestehend aus dem Hamburger Ökostromanbieter Lichtblick, dem Frankfurter Energieversorger Mainova, dem Mess- und Abrechnungsdienstleister Count+Care (Tochterunternehmen des Energieversorgers Entega), der N-Ergie (Stadtwerke Nürnberg) sowie der Netzbetreiber Berlin Brandenburg (NBB). Unterstützt wird es vom Software-Engineering- und Beratungshaus – und zugleich Microsoft-Partner – MaibornWolff. Kernstück des gemeinschaftlichen Projekts „ETH@Energy“ bildet die Blockchain, um die Marktkommunikation in der Energiebranche zu digitalisieren.
Die Problemstellung: In der Marktkommunikation werden viele gleichartige Schritte von mehreren Teilnehmern der Energiewirtschaft teilweise manuell vollzogen, und jeder Marktteilnehmer hält selbst alle Daten zentral vor – massive Redundanz und hoher Pflege- und Synchronisierungsaufwand sind die Folge. Blockchain-Technologie kann diese Vorgänge zentralisieren und vollautomatisieren, und sie sorgt für vertrauenswürdige Prozesse zwischen den unabhängigen Marktteilnehmern, wenn diese ihre Daten untereinander austauschen.
Als erstes Minimum Viable Product (MVP) entwickelte das 15-köpfige virtuelle Projektteam schon 2017 einen sogenannten Validator, der im Teilprozess „Lieferbeginn“ die bisher standardmäßig erforderlichen EDIFACT-Nachrichten mittels Blockchain-Technologien wie Smart Contracts und Orakel verifiziert. Die Blockchain übernimmt im ETH@Energy-Projekt die einzelnen Prüfschritte und Nachrichten und fungiert als Basis für ein einheitliches Prüfungsverfahren, indem sie die Validierung übernimmt. Im Peer-to-Peer-Netzwerk der Blockchain stellen die Rechnerknoten alle notwendigen Lösungen dezentral bereit, sodass nicht mehr jeder Versorger eine eigene Infrastruktur betreiben muss. Das Ergebnis: mehr Sicherheit, weniger manuelle Prozesse, geringere Fehleranfälligkeit und für den Kunden ein reibungsloserer, schnellerer Ablauf seiner Ummeldung. So ließe sich der Wechselprozess von einem Monat praktisch auf einen Tag verkürzen.
Neben der Datenvalidierung entstehen mit der Blockchain noch weitere Vorteile: So werden die für die Marktkommunikation notwendigen Daten in der Blockchain zentralisiert – übergreifend für den alten und den neuen Lieferanten sowie für den Netzbetreiber. Der Kunde behält stets die Kontrolle über seine Daten, die Datenqualität wird verbessert, und der gesamte Prozess kann ganzheitlich überwacht werden. Zudem wird individuelle Middleware bei den einzelnen Beteiligten überflüssig, und die aktuelle Infrastruktur lässt sich auf einfache, kostengünstige Weise modernisieren.
Auch die Umsetzung der regelmäßigen Formatänderungen in der Marktkommunikation durch die Bundesnetzagentur kann mit der Nutzung von Smart Contracts und Orakeldiensten vereinfacht und zentralisiert werden. Das zweite MVP, das kürzlich vom Projektteam fertiggestellt wurde, baut eine Konsortial-Blockchain zwischen allen Teilnehmern auf. Hier wird ein Lieferantenwechsel komplett End-to-End über die Blockchain abgebildet. Zugleich ebnet es den Weg für zusätzliche Potenziale, beispielsweise für einen vereinfachten Markteinstieg neuer Teilnehmer und einen ressourcenschonenden Einsatz von IT-Assets.
Blockchain auf Microsoft Azure
Die kryptografische, manipulationssichere Validierung der Daten, die direkt in die dezentralen Prozessschritte eingebettet ist, erhöht das Vertrauen aller Beteiligten und der Kunden. Mit den Microsoft Blockchain-as-a-Service-Angeboten, die auf der Azure Cloud laufen, wird in dieser Hinsicht ein neues Zeitalter eingeläutet, da die Entwicklung von entsprechenden Anwendungen innerhalb weniger Wochen erfolgen kann.
Die Plattform liefert umfassende Funktionen wie Smart Contracts und „Cryplets“, um komplexe Datenflüsse mit mehreren Beteiligten unter höchster Sicherheit und Transaktionsintegrität abzubilden. Im ETH@Energy-Projekt laufen die Rechnerknoten auf Microsoft Azure. Hier übernimmt die Blockchain zugleich eine Überwachungsfunktionen, weil sie die Prozessregeln nachvollziehbar und transparent in Softwarecode darstellt. Datenschutz und Datensicherheit sind bei den B2B-Prozessen ebenfalls strikt gewährleistet.
Die Microsoft-Technologie erlaubt Energieunternehmen einerseits, mit Blockchain-Anwendungen zu experimentieren und eigene Innovationen zu fördern. Andererseits bietet sie eine leistungsstarke Plattform, um Produktiv-Workloads zu unterstützen.
Das ETH@Energy-Projekt ist in dieser Hinsicht wegweisend: Routineabläufe, die viele Ressourcen ohne erkennbaren Nutzen binden, werden durch sichere Automatisierung abgelöst. Die so eingesparten finanziellen Mittel könnten anderen Initiativen bei Energieversorgern zugutekommen, beispielsweise für Investitionen in neue Geschäftsfelder wie Elektromobilität und Smart City.
Evaluieren, testen, durchstarten
Es ist zu erwarten, dass sich auf dem Energiemarkt in den nächsten Monaten Einiges in Sachen Blockchain-Initiativen tun wird, zum Beispiel bei der Kooperation mit anderen Anbietern, bei der Zahlungsabwicklung sowie im Bereich der durchgängigen Dokumentierung von Vorgängen. Inwieweit ist Ihr Unternehmen schon heute vom Wandel betroffen? Wo können Sie Ihren idealen strategischen Ausgangspunkt finden, um die Welle an Investitionen in transformative Blockchain-Technologien abzubilden – wie es Ihre Mitbewerber und Kunden fordern werden? Wie können Technologien von Microsoft Sie künftig unterstützen? Nehmen Sie jetzt Kontakt zu unseren Branchenexperten auf und lassen Sie sich beraten!